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Gewöhnungssache

Doch trotz all der Freude darüber, endlich wieder in Peru sein zu dürfen, gibt es dennoch einige Dinge, an die ich mich hier erst einmal wieder gewöhnen muss: Dass man das Wasser nicht mehr aus dem Hahn trinken kann (momentan muss ich mir pro Tag mindestens drei Liter kaufen), beispielsweise, oder, dass man das Klopapier nicht In die Kloschüssel, sondern stattdessen in den Mülleimer wirft. Daran, dass Türschlösser in die falsche Richtung aufgehen (man muss den Schlüssel nach rechts drehen, damit sich die Tür öffnet) und dass jegliches Gemüse und Obst vor dem Verzehr mit einer Chlor-Lösung von Parasiten gereinigt werden sollte. Daran, mit kaltem Wasser abzuspülen und Wäsche zu waschen oder auch daran, meine Schuhe vor dem Anziehen sicherheitshalber einmal auszuschütteln, um Spinnenbissen vorzubeugen.

 

Wegen der hohen UV-Strahlung muss ich mich außerdem jeden Morgen mit Sonnencreme einschmieren und egal, wo ich hingehe oder wieviel Abstand ich zu den umstehenden Personen halte, draußen eine Maske tragen. An der frischen Luft, ist das zu glauben! Dafür hilft die Maske jedoch gegen den vielen trockenen Staub, der jedes Mal aufgewirbelt wird, wenn ein Moto-Taxi an mir vorbei über die unbefestigten Straßen und Schotterwege rumpelt. Diese Wege teilen sich Fußgänger, Fahrradfahrer, Autos und Motorräder außerdem mit Kühen, Schafen, Ziegenherden, Hühnern, Katzen, Eseln und Pferden. Eine Allergie gegen Tierhaare ist hier eher unvorteilhaft.

 

Oft fällt außerdem der Strom aus, sodass Dapfnne – meine peruanische Mitbewohnerin – und ich oft plötzlich im Dunkeln sitzen und uns auf die Suche nach Kerzen begeben müssen. Blöd ist das vor allem, wenn man gerade eine Maschine Wäsche angestellt hat, oder, noch besser, genau in diesem Augenblick unter der Dusche steht. Der Durchlauferhitzer, den ich benutze, funktioniert mit Gas, welches jedoch zunächst über einen elektrischen Impuls angeschaltet werden muss, bevor mein Wasser warm wird. Und die Beschreibung „warm“ trifft es leider auch nicht so ganz: Meine Dusche scheint lediglich die beiden Extreme „Eiskalt“ und „kochend Heiß“ zu kennen. Kein Wunder, dass ich meistens relativ schnell fertig bin. Aber ich will mich nicht beschweren. Überhaupt Wasser zu haben, ist nämlich ein riesiger Luxus. Das fällt einem allerdings erst auf, wenn man zum dritten Mal in Folge nach dem Sport dringend duschen wollte und dann plötzlich verzweifelt vor dem toten Duschkopf steht. Der Wasserhahn? Ebenfalls funktionsunfähig. Hier in unserer Wohnung haben wir morgens und abends oft kein Wasser, weil der Tank kaputt ist, und es ist mir nun wirklich schon öfter passiert, dass das fehlende Wasser meinen kompletten Tagesplan völlig durcheinandergeworfen hat. Wenn man eigentlich zu einer Feier oder einem Treffen eingeladen ist, dann möchte man eben ungern völlig verschwitzt und mit fettigen Haaren erscheinen. Verständlich, oder? Und wenn man es gewohnt ist, seinen Abwasch sofort zu erledigen, dann sind die Geschirrstapel, die sich manchmal gezwungenermaßen bilden, ebenfalls ein unangenehmer Anblick.

 

 

Woran ich mich ebenfalls gewöhnen muss, ist ein völlig verschobener Tagesrhythmus: Durch die dünnere Luft bin ich bereits um acht Uhr abends wirklich körperlich erschöpft und müde. Meistens gehe ich momentan spätestens um halb zehn ins Bett, - da ist es dann aber auch schon seit fast vier Stunden stockfinster (von dem tollen Sternenhimmel schwärme ich euch ein anderes Mal vor…). Nachts drehen die Hunde völlig am Rad, vor allem bei Vollmond. Und da es vor einigen Wochen einen Vorfall gegeben hat, bei dem eine Frau vergewaltigt und anschließend ermordet wurde, sollen wir Frauen ab der Dämmerung momentan nicht mehr allein unterwegs sein. Für jemanden, der in Marburg oft noch bis zwei Uhr nachts mit seinem Fahrrad unterwegs war, ist das eine ganz schöne Umstellung… 

 

Alles ist gezuckert: Das Brot, der Tee, selbst die Kondensmilch und der „Natur“joghurt. Zu jeder Mahlzeit gibt es traditionell Berge an Fleisch und meistens mindestens zwei verschiedene Sorten Kohlenhydrate (gerne auch Nudeln, Reis und Kartoffeln in einem Gericht). Dafür schmecken die Früchte und Gemüsesorten hier viel intensiver und ich genieße Avocados, Chocllo und Papaya in vollen Zügen.

 

Es gibt hier keine Heizung, daher bin ich im Haus immer mit Pulli und oft sogar einer Decke zum Drüberlegen unterwegs. Die allergrößte Umgewöhnung ist jedoch der erzwungene Digital Detox. Bisher war ich nur dann erreichbar, wenn ich zufällig auch gerade WLAN hatte, was einerseits eine gute Therapie für mein „Fear-of-missing-out“ ist und im Tagesablauf gehörig für Entspannung sorgt, auf der anderen Seite gleichzeitig jedoch viel Planungsstress verursacht, da man mich ja noch nicht einmal anrufen kann.

 

Mal sehen, ob sich das nun ab Morgen ändern wird. Und ich bin ohnehin schon sehr gespannt darauf, zu erfahren, wo ich helfen kann und wie mein Arbeitsleben aussehen wird.

Bueno, nos vemos mañana, entonces :D

 

 

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