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Die Schule geht wieder los!!

 „In ungefähr zehn Minuten würde es eigentlich zum Unterricht klingeln.

 

Normalerweise wäre ich dabei, die letzten Materialien für die kommende Stunde noch einmal durchzugehen, das Gebäude und vor allem der Schulhof wäre voller Leben und wir...

irgendwie sinnvoll beschäftigt.

 

Stattdessen sitze ich nun hier und tippe diesen Blogeintrag, neben mir dutzende weitere Lehrer, die kurzfristig so viele Materialien zusammenstellen, wie sie können, um den Schülern für die „Sonderferien“ etwas zu tun zu geben.

 

Verwaiste Gänge, verlassene Klassenzimmer.

 

Ab und an ein weinendes Kind, doch es ist nur ein Lehrerkind, welches wir als Volontarios nun betreuen, - in den nächsten Wochen vermutlich eine unserer Hauptaufgaben.“

 

So und nicht anders begann vor etwa eineinhalb Jahren der Blogeintrag, den ich schrieb, als von einem Tag auf den anderen in Peru die Quarantäne begann. Was dies für uns bedeutete (überstürzte Abreise, Orientierungslosigkeit und generell einfach völlige Verwirrung) wisst ihr bereits, doch auch hier in Peru war das Chaos nach – wie zunächst angekündigt – zwei Wochen natürlich nicht vorbei. 17 Monate sind die Schulen im ganzen Land nun bereits geschlossen und was das für die Schüler und die Familien bedeutet hat, will man sich gar nicht ausmalen: Die Preise hier sind immer mehr gestiegen, während sich die Löhne der Bauern beispielsweise halbiert haben. Zusätzlich zu der lebenswichtigen Arbeit kam nun noch die Verantwortung, die frustrierten Kinder zuhause auf engstem Raum zu betreuen. Zwar gab es ein wöchentliches Bildungsprogramm im Fernsehen, doch ganz ehrlich – die Qualität und vor allem der letztendliche Erfolg davon ließ deutlich zu Wünschen übrig.

 

 

Diospi Suyana organisierte während dieser Zeit eine Art Fernschule für seine Schüler: Jede Woche Freitag kamen die Kids der unterschiedlichen Jahrgänge unter strengen Hygiene-Auflagen auf den Schulhof, um die Materialien der Woche einzureichen und dafür die neuen Arbeitsblätter der nächsten Woche abzuholen. Zusätzlich fanden jeden Tag die Unterrichtsstunden online über Zoom statt; es gab eine Lernplattform, auf der man Fotos oder Dokumente hoch- und herunterladen konnte und dutzende Whatsapp-Gruppen, in denen sich die einzelnen Klassenlehrer mit ihren Schülern absprachen und organisierten. Zusätzlich fuhr außerdem ein Bus in die Bergdörfer, die weiter entfernt waren, um es auch den dort lebenden Schülern zu ermöglichen, die Materialien abzuholen. Bei einer dieser Fahrten durfte ich bereits anwesend sein und es ist wirklich unglaublich, welchen Weg einige Jugendliche früher jeden Tag auf sich nehmen mussten.  

 

 

Und jetzt, seit offiziell vorgestern gibt es wieder Unterricht! Endlich sieht man Schüler auf dem Schulhof, wird das Sonnensegel wieder ausgefahren, klingelt die Schulglocke in altbekannter Manier zur Pause und zum Unterricht. Seit Wochen hatten der Schuldirektor Christian und seine Kollegen an einem „semipresencialen“ Modell gearbeitet und dieses schließlich der Schulbehörde des Distriktes Apurímac vorgelegt. Dutzende Fahrten nach Abancay waren nötig gewesen, Visiten der Municipalidad in Curahuasi, Besuche der UGEL (besagter Schulbehörde) und schließlich unzählige Anrufe und E-mails, weil die letzte offizielle Erlaubnis trotz großer Versprechungen der Besucher auf sich warten ließ. Erschwerend war die Aussage des Präsidenten hinzugekommen, dass die Schulen erst dann wieder geöffnet werden sollten, wenn 80% der Bevölkerung geimpft waren. Doch das würde – wenn es in bisherigem Tempo weiterging – noch viele weitere Monate dauern – mindestens. 

Letzten Endes und dank vieler Bemühungen und nicht zuletzt auch vieler Gebete erhielten wir die Zusage dann doch noch. Das erarbeitete Modell sah natürlich weiterhin strenge Hygienevorlagen vor: Nur 4 Zeitstunden am Stück in Präsenz maximal, außerdem das durchgängige Tragen von Masken auch in den Pausen, ständiges Hände-Desinfizieren und Lüften sowie große Abstände der Tische zueinander im Raum. Von jedem Schüler, der das Gebäude betritt, wird die Körpertemperatur gemessen, außerdem wurden die Kurse in jeweils zwei oder sogar Gruppen aufgeteilt, bei denen jeweils nur maximal 10 Schüler im Klassenraum anwesend sind. Der Lehrer filmt sich während des Unterrichtes für den Rest der Klasse, der den Unterricht zuhause per Zoom verfolgt. In manchen Fällen sind die Lehrer sogar gar nicht anwesend, damit die Schüler jedoch während dieser Zeit nicht nach Hause gehen und dann wiederkommen müssen, ist es zurzeit meine Aufgabe, die technischen Geräte zu verkabeln und mich und die Schüler per Zoom dem Online-Unterricht zuzuschalten.

 Das technische Equipment in jedem Kursraum lässt teilweise wirklich professionell anmuten: Jeder Lehrertisch verfügt über einen Laptop, Lan-Kabel für die bessere Verbindung, sowie externe Mikrophone und Kameras. Übertragen wird der Unterricht auf großen Fernsehern an der Wand (ebenfalls Spenden, nehme ich an), sodass alle sehen können, was passiert. Jedes Mal, wenn ich alles vorbereite und anschließend die Schüler betreue, fühle ich mich ein wenig wie in einem Fernseh- oder Radiostudio. Für die Lehrer bedeutet das natürlich, gleichzeitig das Zoom-Meeting zu überwachen und den Unterricht zu leiten, was ich als große Herausforderung wahrnehme. Doch das Modell funktioniert – zumindest, soweit ich das beurteilen kann.

 

Zu meinen weiteren Aufgaben gehört es momentan, vormittags im Deutschraum den Missionarskindern bei ihren Deutsch- und Englischhausaufgaben zu helfen. Zwar fällt dadurch die Unterstützung in den Familien weg, doch die Schüler kommen ja in die Schule, wodurch Ersteres eigentlich auch überflüssig wäre. Des weiteren müssen viele Schränke ausgeräumt und neu sortiert werden: Arbeit, die mit virtuellem Unterricht lange Zeit einfach nicht nötig war und deshalb liegen geblieben ist. Meine Englisch- und Kunst-Zoom-Meetings bleiben.

 

Ich kann immer noch nicht so richtig glauben, dass ich den Schulstart jetzt wirklich wieder miterleben darf und hoffe inständig, dass die dritte Welle in Peru noch ein wenig auf sich warten lässt. Es ist so schön, wieder Kindergelächter zu hören und Leben auf dem Gelände zu haben. Wenn ihr wollt, dürft ihr gerne für den Erfolg des Semi-Präsenz-Modells beten, außerdem für weise Entscheidungen der Politiker und Durchsetzungskraft des Lehrerpersonals. Immer um Abstand bitten zu müssen, ist wirklich anstrengend...  

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