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Walls of Jericho

Oder: Mit Gott und Josua durch die Klausurenphase

Habt ihr manchmal auch das Gefühl, den Anforderungen eures täglichen Lebens schlichtweg nicht gewachsen zu sein? Nicht zu wissen, ob oder wie ihr die Aufgabe auf der Arbeit, im Studium, dem Freundeskreis, der Gemeinde oder einfach schon das morgendliche Aufstehen bewältigen sollt? Und das jeden Tag aufs Neue, weil eine geschaffte Aufgabe lediglich bedeutet, dass nun wieder Kapazität für die Nächste ist? Alle Jahre wieder, ein ewiges Drehen im Kreis, Feierabend immer in dem Wissen, dass der neue Tag nur wieder neue Konflikte und Herausforderungen mit sich bringen wird.

 

 

Mir ging es bisher in meinem Leben eigentlich noch nicht oft so, ich bin meistens eher ein optimistisch veranlagter Mensch, doch die letzte Klausurenphase meines Medizinstudiums kostete mich beinahe alles meiner Kraft: Wir schrieben 7 große Prüfungen innerhalb von 9 Tagen, was bedeutete, dass man schon Wochen vorher mit dem Lernen beginnen musste, und das, obwohl draußen die Marburger Natur aufzublühen begann und die übrigen Studenten sich um die Lahn versammelten, während die Bibliotheksplätze größtenteils mit Medizinstudenten besetzt waren. Und dann, als die Klausurenphase begann, bestand mein Leben mehrere Wochen lang beinahe nur aus Schlafen (zu wenig), Essen (zu unregelmäßig), Sport (vermutlich zu viel) und Lernen (definitiv zu viel, auch wenn es sich nie nach genug anfühlte, um die Prüfungen wirklich bestehen zu können). 

Irgendwann, als ich nach einer Panikattacke in Physiologie an einem Punkt angekommen war, an dem ich wirklich nicht mehr wusste, ob all das Lernen überhaupt reichen würde und gleichzeitig merkte, dass ich mit diesem Lebensmodus nicht lange weitermachen konnte, betete ich verzweifelt zu Gott um Kraft. Wie sollte ich das nur schaffen und dann nicht nur für die nächsten Wochen, sondern ja eigentlich für die nächsten Jahre? Und nach dem Studium würde es ja eigentlich nicht weniger stressig weitergehen. Ich fühlte mich vollkommen erschöpft, kraftlos und entmutigt, gefangen in einem toxischen Hamsterrad, dem ich nicht entkommen konnte. Selbst, wenn ich mich einmal erholen wollte, brauchte ich ewig, um aus meiner Anspannung in eine Phase der Erholung hineinzukommen und wenn es einmal geschehen war, ergriff mich beizeiten die Panik, weil ich erst in Zeiten der Ruhe so richtig registrierte, wie erschöpft ich wirklich war.

 

In all diese ängstlichen, sorgenvollen und irgendwie auch destruktiven Gedanken hinein sprachen an einem Morgen vor der nächsten Lernsession sehr deutlich einige Verse aus dem Buch Josua:

 

1 Die Tore von Jericho waren fest verschlossen, weil sich die Bewohner vor den Israeliten fürchteten; niemand durfte hinein oder hinaus. 2 Da sagte der Herr zu Josua: »Ich habe Jericho, seinen König und dessen starke Krieger in deine Hand gegeben. 3 Dein Heer soll die Stadt einmal am Tag umrunden. Das soll sechs Tage lang geschehen. 4 Dabei sollen sieben Priester vor der Lade hergehen, und jeder von ihnen soll ein Widderhorn tragen. Am siebten Tag sollt ihr die Stadt siebenmal umrunden und die Priester sollen in die Hörner stoßen. 5 Wenn ihr hört, dass die Priester ihre Hörner blasen, soll das ganze Volk lautes Kriegsgeschrei anstimmen. Daraufhin werden die Stadtmauern zusammenbrechen, und das Volk kann geradewegs in die Stadt eindringen.« (Übersetzung: Neues Leben)

 

 

Ich hatte diese Geschichte schon hundertmal gelesen, doch in diesem Augenblick war es, als sprach Gott zu mir ganz persönlich. Wenn es ihm damals ein Leichtes gewesen war, Jerichos Mauern einzureißen, dann konnte er mir auch helfen, meine Klausuren zu bestehen. Aus seiner Kraft, nicht aus meiner. Die Parallele mit den genau sieben Prüfungen und den sieben Malen, die das Volk Israel um die scheinbar unüberwindbaren Stadtmauern zog, war offensichtlich und ich beschloss mit einem Schmunzeln, mich vor jeder Klausur nicht mit Lernen verrückt zu machen, sondern stattdessen Lobpreis zu machen. Mein Widderhorn war die Musik und ich würde Gott die Ehre geben – trotz meiner Angst, trotz des Stresses und der Erschöpfung. So würde er es sein, der für mich kämpfte und ich konnte ein Stück von dem Leistungsdruck loslassen, der mich von allen Seiten in die Ecke drängte. 

 

19 Alle Gegenstände aus Silber, Gold, Kupfer oder Eisen sind dem Herrn geweiht und müssen in seine Schatzkammer gebracht werden.« 20 Die Priester bliesen die Hörner. Als die Israeliten das hörten, schrien sie so laut sie konnten. Da stürzten die Mauern Jerichos zusammen, und die Israeliten drangen geradewegs in die Stadt ein und eroberten sie.

 

Das Ende der Geschichte ist gemeinhin bekannt und – Achtung, Spoiler Alert! – bei mir lief es ähnlich: Ich bestand tatsächlich jede der Klausuren (selbst die gefürchtetsten Fächer Biochemie, Physiologie und Histologie) und war in den meisten tatsächlich relativ gelassen. Zu Histologie ging ich mit dem Wissen, dass die Chance, bei den 100 Präparaten eines zu erwischen, zu dem ich überhaupt nichts sagen konnte und deshalb durchzufallen, relativ groß war, doch ich beschloss, einfach zu versuchen, meine Aufgabe in diesem Moment nicht in der Prüfung zu sehen, sondern stattdessen darin, die anderen Mitstudierenden zu ermutigen. ,Wenn ich es schaffe, auch nur einen oder eine hier zu beruhigen oder von der Angst abzulenken, dann hat sich das Ganze schon gelohnt, ob ich nun bestehe, oder nicht.‘ Vielleicht war es diese Ruhe, die ich ausstrahlte, welche die von vielen gefürchtete, strenge Prüferin dazu veranlasste, mich letzten Endes trotz Lücken bestehen zu lassen.

 

Ich bin bei weitem keine Musterstudentin, es reicht oft gerade so zum Bestehen, dass ich gar nicht erst in Versuchung komme, stolz zu werden oder den Erfolg auf mein eigenes Können zu schieben. Und gerade deshalb ist mir der Vers 19 aus Josua 6 so wichtig: Alles Erbeutete sollte nicht behalten, sondern stattdessen dem Herrn gegeben werden. Die Juden wussten, wem sie den Sieg zu verdanken hatten und genauso weiß auch ich, dass ich es ohne Gott niemals geschafft hätte. Er ist es, der mich in dieses Studium, ja, in dieses Leben selbst hineinberufen hat und er ist es auch, der mir die Kraft geben wird, die Situationen zu bewältigen, in denen ich ohne ihn einfach versagen würde.  

 

In der Bibel steht: „Und Gott ist treu; er wird nicht zulassen, dass die Prüfung über eure Kraft geht. Er wird euch bei allen Versuchungen den Weg zeigen, auf dem ihr sie bestehen könnt.“ (1. Korinther 10,13)

 

An diesem Versprechen halte ich mich fest und bisher hat sich das in meinem Leben wirklich mehr als nur bewahrheitet. Und nur deshalb führe ich auch diesen Blog, um Gott die Ehre für das zu geben, was ich ohne ihn niemals schaffen würde. Ich nütze niemandem etwas, wenn ich ohne seine Kraft an Dingen zerbreche, zu denen er mich befähigt, wenn ich ihn nur darum bitte. Seine Kraft ist in den Schwachen mächtig und ich bin so dankbar für Musik, die Bibel als sein Wort oder Gespräche mit anderen Christen und meinem wunderbaren, geduldigen Freund David. Diese Geschenke helfen mir beizeiten, meinen Blick von der begrenzten, oft verzweifelten menschlichen Perspektive weg und ein Stück weit auf Gottes Ewige zu richten. Letzten Endes werden es andere Dinge sein, die Bestand haben und es tut gut, mir das von meinem himmlischen Vater so oft wie nötig (und öfter :D) in Erinnerung rufen zu lassen.

 

Habt ihr schon ähnliche Erfahrungen mit Gott gemacht? Oder wenn Glaube bisher etwas ist, womit ihr einfach wenig anfangen könnt, - was sind Dinge, die euch helfen, die Herausforderungen eures Lebens zu meistern?

 

 

Schreibt mir dazu gern etwas in die Kommentare – ich freue mich von euch zu hören! 

 

 

 

 

Und hier noch meine Jericho-Lied-Liste - vielleicht hilft sie euch ja auch, bei euren Jericho-Mauern :)

 

1. Jericó - Evan Craft

2. Great are you Lord - All Sons & Daughters

3. Und ich lege meine Krone - Johannes Hartl & Freunde

4. Sparrows - Cory Asbury

5. Jericho - Andrew Ripp

6. See a Victory - Elevation Worship   

7. From another world - Jordan Feliz

 

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Kommentare: 1
  • #1

    David (Donnerstag, 04 August 2022 18:30)

    Danke für den ermutigenden Artikel (und den unverhofften Gastauftritt hihi ;P)!! Ich finde es ehrlich bewundernswert, dass Du Dich von dem Stress, dem Du im Studium ausgesetzt bist, nicht kleinkriegen lässt und Gott so sehr vertraust. Lass Dich - und in der Konsequenz auch Dein Umfeld - unbedingt weiter so von Ihm beschenken. :D