Ich war nie ein Mensch, der in rauen Mengen Kaugummi konsumiert. Wirklich nicht, im Ernst. Das Konzept davon, etwas zu essen, ohne es wirklich zu essen, war mir Zeit meines Lebens tatsächlich noch nie so richtig geheuer. Und da mir die Fähigkeit des Blasenproduzierens lange nicht vergönnt war, gab ich aus Frustration irgendwann einfach auf.
Das änderte sich jedoch interessanterweise während der Corona-Maskenzeit. Kaugummis unter Masken zu kauen, ist vor allem im Klinikalltag vermutlich eher so halb erlaubt, jedoch wirklich angenehm, wenn man großen Hunger und noch keine Pause hat. Und da ich mich bisher in meinem Leben nie zuvor der Herausforderung stellen musste, ein gesundes Konsumverhalten (oder Kauverhalten?) in Bezug auf Kaugummis zu lernen, entdeckte ich bald, dass es mir sehr schwerfiel, richtig damit umzugehen: Nach mindestens einer Minute war mir der Geschmack bald schon nicht mehr intensiv genug, sodass ich schnell einen neuen hinterherschieben musste. Eine weitere Minute später hatte sich dann zwar der Klumpen in meinem Mund vergrößert, der Geschmack war jedoch wieder sehr viel schwächer geworden und ehe ich mich versah, hatte ich auch schon den dritten Kaugummi hinzugefügt, unfähig aus der vorher gelernten Lektion etwas mitzunehmen.
Nach drei Kaugummis war normalerweise Schluss, irgendwann war dann selbst ich frustriert von dem Konzept. Jedoch leider oft nur für eine halbe Stunde, danach begann es wieder von Neuem und zwar in so regelmäßigen Abständen, dass ich oft früher Kaugummi nachkaufen musste, als mir das lieb war.
Ich konnte über dieses aus logischer Sicht betrachtet wirklich sinnlose Verhalten lachen, doch es brachte mich auch ein wenig zum Nachdenken über uns Menschen. Und zwar nicht nur – wie auf den ersten Blick möglicherweise naheliegend – bezüglich unseres westlichen Konsumverhaltens, sondern einfach generell bezogen auf unseren Lebensstil.
Wir sind ständig auf der Suche nach dem nächsten Kaugummi, nur um daraufhin bald zu merken, dass sich die Aufregung und Freude über das Neue, Spannende, Schöne, das uns anfangs so gereizt hat, schnell legt und merklich abkühlt. Ihr Geschmack wird schal und langweilig und wie schnell haben wir unsere Sehnsucht dann oft bereits auf das nächste Objekt der Begierde gerichtet; sei es ein neues und besseres Auto, die höhere Gehaltsstufe, den Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums, vielleicht auch nur das nächste erfolgreiche Training im Fitnessstudio, das noch überschwänglichere Lob eines Gegenübers als Reaktion auf eine erbrachte Leistung, der endlich treue und perfekte Partner für’s Leben oder „der“ ersehnte Job, der uns dann endlich glücklich machen soll. Und wieder: Wächst der Kaugummi-Klumpen, an dem wir kaufen, zehrt an unserer Kraft, hält uns beschäftigt – und erfüllt doch auf Dauer nicht seinen Zweck.
Denn, Überraschung: Kaugummi macht nicht satt. Im Gegenteil, er raubt uns sogar die Kapazität, das zu uns zu nehmen, das wirklich unseren Hunger stillt und uns die nötigen Nährstoffe gibt, die wir zum Leben brauchen. Hast du schon einmal versucht, mit einem Kaugummi im Moment ein belegtes Brötchen zu essen? Ich hoffe ja stark, dass dem nicht so ist – und wenn doch, dann bin ich sicher, dass es keine befriedigende Erfahrung war.
Vielleicht gehörst du ja auch zu den Menschen, die völlig in sich ruhen und von sich sagen können, „nichts neues zu brauchen und völlig zufrieden zu sein“. Ich würde es gern von mir behaupten, doch ehrlich gesagt geht es weder mir so (ich war stets viel zu leistungsorientiert und nie zufrieden mit dem, was ich bereits erreicht hatte), noch kenne ich jemanden, der nicht tief in seinem Herzen nach irgendetwas Sehnsucht hat, das seine gegenwärtige Situation nicht doch noch verbessern könnte.
Wir sind gut darin, optimieren zu wollen und schlecht darin, mit der vorgenommenen Optimierung zufrieden zu sein.
Ein sportliches Training beispielsweise ergibt nur dann Sinn, wenn man ein Ziel vor Augen hat: Einmal im Monat zu joggen wird dich nicht zu einem besseren Läufer oder einer besseren Läuferin machen, und das ist auch gut und richtig so, doch die Gefahr in der nötigen Konstanz liegt darin, den einzelnen Lauf an sich auch nicht mehr genießen und wertschätzen zu können.
Worauf ich mit all dem metaphorischen Geplänkel wieder einmal hinauswill, ist natürlich Gott und seine Liebe zu uns. Jesus verspricht der Frau am Brunnen, die offensichtlich bereits fünf Mal von einer Ehe enttäuscht wurde und nun allein und von der Gesellschaft geachtet in der knallenden Mittagssonne die Wasserquelle aufsuchen muss, dass er selbst das Wasser des Lebens ist, von dem sie trinken kann und danach nie wieder Durst haben muss. Klingt weird auf den ersten Blick, oder? Doch die Szene hat mich an mein Kaugummi-Problem erinnert, das vermutlich zutiefst menschlich ist.
Wenn Gott uns – wie es in der Bibel heißt – bewusst die Ewigkeit ins Herz legt, dann ist es logisch, dass wir unser Leben lang nach etwas suchen werden, das wir auf der Erde nicht finden werden. Der Geschmack, die Schönheit, die Kraft, das Leben selbst… Alles hier ist endlich, wohingegen ein Leben bei und mit ihm niemals zu Ende gehen wird. Manchmal stelle ich mir unser Herz so wie ein Puzzle vor, in dem das entscheidende, zentrale Stück fehlt. Wir haben eine Vielzahl an Teilen zur Verfügung, die wir Zeit unseres Lebens fleißig ausprobieren, doch keines davon passt so ins Bild, dass am Ende ein Muster entsteht, das Sinn ergibt. In der Theologie versteht man unter dem Begriff „communio“ die Annahme, dass der Mensch erst als Gegenüber von Gott, also in Beziehung mit seinem Schöpfer – der uns geschaffen hat, um in seiner Gegenwart zu sein -, vollständig wird.
Jesus selbst ist das fehlende Puzzlestück, das meint er damit, wenn er sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, außer durch mich.“ Und er bietet sich uns ständig voller Demut als Geschenk an, doch oft ist der Gedanke, zunächst den bequemen und bekannten Kaugummi ausspucken zu müssen, zu beschwerlich, zu umständlich, ja, vielleicht sogar zu schmerzhaft. Was, wenn das belegte Brötchen auch nicht das hält, was es verspricht? Was, wenn es doch nicht satt macht oder nicht schmeckt, und wer weiß, vielleicht mag ich den Geschmack von dem Kaugummi ja viel lieber und schiebe lieber noch schnell einen neuen nach, selbst, wenn es nur für ein paar Minuten ist? Immerhin weiß ich da, dass ich etwas schmecken werde und ein fahler Kaugummi ist zumindest besser als gar nichts. Oder vielleicht will ich ja gar nicht satt werden, vielleicht habe ich sogar Angst davor, was das in mir verändern könnte… Ich mag es eigentlich, zu kauen, möglicherweise müsste ich dann damit aufhören und zur Ruhe kommen und entspannen. Dann würde ich ja vielleicht wieder merken, dass ich Hunger habe. Oder was die Leute sehen, wenn ich erst einmal meinen Mund aufmache, den großen Kaugummiklumpen, der schon nötig war, um mich zufrieden zu stellen und die vielen Verletzungen und was, wenn da schon so viel zusammengekommen ist, dass es überhaupt nicht mehr durch meinen Mund nach draußen kommen kann…? Was, wenn ich nie frei werden kann…?
Ein paar dieser Gedanken sind auch mir bekannt und entschuldigt bitte das Ausreizen dieses hinkenden und natürlich auch etwas ekeligen (weil schleimigen und zähen) Vergleiches. Aber mir hat das Bild irgendwie sehr geholfen einen Teil meines Problems besser zu verstehen. Allein die Tatsache, dass wir uns nach Geschmack sehnen, heißt, dass wir das Konzept des Essens und Sattwerdens kennen. C.S. Lewis sagt dazu:
The fact that our heart yearns for something Earth can’t supply is proof that heaven must be our home.
Und letzten Endes ist die Realität und vor allem der Glaube natürlich nicht ganz so einfach wie das Beispiel mit dem Kaugummi. Das Ausspucken mag Mut kosten, doch der Vergleich erfolgt gleich danach und das belegte Brot wird im besten Fall sofort satt machen. Mit der Ewigkeit bei Gott sieht es ein wenig anders aus, vermutlich wird sich erst am Ende unseres Lebens herausstellen, ob der Himmel wirklich unser zuhause ist. Doch andererseits wird das Sättigungsgefühl bereits ein Indiz dafür sein, ob wir nun endlich das richtige Puzzleteil gefunden haben, oder nicht. Wenn Gott wirklich derjenige ist, der unserem Leben einen Sinn geben kann und uns die Lasten, die wir herumschleppen vergeben und von den Schultern nehmen kann, dann wird er unsere Sehnsucht stillen und uns endlich Frieden schenken. (siehe Matthäus 11,28)
Kennt ihr dieses wunderbare Gefühl, nach einer Phase von Hunger und Schwäche endlich satt und zufrieden zu sein? Wir spüren dann, wie gut uns das Essen getan hat, obwohl wir – im besten Fall ;D – nicht sehen, wie genau die Nährstoffe aus dem Darm ins Blut und zu den Organen transportiert werden. Und hier wird es nun praktisch: Gott lädt uns ein, es einfach auszuprobieren: „Wer ihm vertraut, wird nicht enttäuscht werden.“, heißt es in seinem Wort und in Johannes 6,35 sagt Jesus es sogar ganz wörtlich:
„Ich bin das Brot des Lebens (und kein labbriger Kaugummi!) Wer zu mir kommt wird nie mehr hungrig sein“
(Um Verwirrung vorzubeugen: Der Einschub kam von mir :P)
Um das zu prüfen, müssen wir Jesus lediglich einladen, in unser Leben zu kommen und uns zu zeigen, dass er wirklich derjenige ist, der uns zufrieden und satt machen kann. Dafür müssen wir vielleicht im Weg stehendes loslassen (sei es der Termin, der Sonntags dem Gottesdienst im Weg stehen würde oder vielleicht unser Stolz, der uns bisher davon abgehalten hat, der Sache eine Chance zu geben). Das können allerdings auch viel tiefer liegende und schmerzhaftere Dinge sein, doch die gute Nachricht ist, dass Jesus uns auch dabei helfen kann, in dem er uns diese Dinge abnimmt, wenn wir ihn darum bitten. Getragen hat er sie schon.
Ich war mein Legen lang eine Getriebene: Von einem Tag zum nächsten, von einer Herausforderung zur anderen. Doch Gott kann unser Herz verändern, in der Zeit, die wir brauchen, auf die Art und Weise, die uns letzten Endes frei machen wird – und eins ist sicher: Es lohnt sich!
(Wenn du der Sache mit Jesus gern einmal eine Chance geben willst und nicht so recht weißt, wie das gelingen kann, schreib mir doch einfach eine E-Mail :D)
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