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Warum feiern wir nicht?

Ostern und was es mit uns machen müsste

Osterglocken blühen in den Beeten sämtlicher Parks unserer Städte, Kirchglocken läuten, Kindergelächter schallt durch die Gärten, während nach langer Fastenzeit endlich Osterzopf und Lamm serviert werden. All das erinnert uns an Ostern – und mich daran, wie ich die letzten Ostern verbracht habe. Vor drei Jahren war ich gerade aus Peru wiedergekommen, verzweifelt, überfordert mit der Gesamtsituation, mitten in Corona. Dennoch veranstalteten wir ein kleines Gartenkonzert und ich begann, in meinem verzweifelten Helferwahn dutzende von Muffins mit ermutigenden Bibelversen zu backen, um sie an die Nachbarn zu verteilen. Ostern und Jesus Rettung für uns war eine Konstante in all dem Chaos und ich klammerte mich an dieser Hoffnung, dieser Gewissheit fest, dass Jesus mir neues Leben schenkte – egal wo, ob in Peru oder in Deutschland, mit meinen Freunden oder meiner Familie, in Gesundheit oder in Krankheit.

 

 

Ein Jahr darauf erlebte ich Karfreitag mit einigen Freunden aus Marburg sehr bewusst, wir genossen leckeres Frühstück, sangen gemeinsam, ließen den Bibeltext noch einmal ganz neu auf uns wirken und auch den Ostersonntag genoss ich sehr im Kreis von Freunden aus der Gemeinde. Die ständig neuen, wechselnden Orte, an denen ich das Fest erlebte, halfen, Traditionen und Bräuche aufzubrechen und Raum für neues Verstehen zu ermöglichen.  

 

Das nächste Osterfest feierte ich dann das erste Mal mit meinem Freund David, mit dem ich erst einige Tage zuvor nach einer langen Zeit des intensiven Kennenlernens und Prüfens zusammengekommen war. Auch nach der langen Zeit im Krankenhaus auf der Onkologie, in der ich von allen Seiten auf nie zuvor gekannte Weise mit dem Tod konfrontiert worden war, fühlte sich Ostern mit seiner Botschaft so real an wie nie zuvor: Der Tod hatte nicht das letzte Wort! Es gab Hoffnung und neues Leben! Das Frühlingserwachen um mich herum verkündete es, die junge, noch ganz schüchterne, aber aufgeregt glückliche und dankbare Liebe schien Zeugnis davon zu sein und ich war so hoffnungsvoll und optimistisch auch in Bezug auf das neue Semester wie seit langem nicht mehr.

 

Und dann kam es: Das zweite Semester mit seinem Umschwung von Digital auf Präsenz, den vielen neuen Veranstaltungen und Eindrücken, einer Corona-Erkrankung nach einem Festival, der Klausuren-Phase mit 7 Prüfungen innerhalb von 9 Tagen… Es brachte mich schnell dazu, wieder in den alten Trott zurückzufallen, angespannt angesichts der vielen Herausforderungen des Studiums zu werden und in Form von Panikattacken manches Mal auf die Welle anstatt auf Jesus zu sehen. In diesen kurzen Augenblicken, in denen ich mich physisch und psychisch fühlte, als würde mir der Boden auf seltsame Art und Weise unter den Füßen fortgezogen, verspürte ich kurz einen Eindruck davon, wie hoffnungslos verloren und allein ich ohne die Existenz eines Gottes wäre, der es gut mir meinte. Manchmal dauerte es länger als ich es mir oft wünschte, bis meine taumelnde Seele wieder Halt fand und ich rational registrierte, dass es keinen Grund für meine Angst gab, weil ich gehalten wurde. Die Panikattacken wurden weniger und ich lernte immer mehr, die Panik zu akzeptieren und auszulachen ohne ihr die Macht zu geben, die sie in diesen Momenten haben wollte, doch das dritte Semester wurde noch herausfordernder und brachte mich mit meinem Nebenjob an die Grenzen meiner Kräfte. Der Präparier-Kurs konfrontierte mich ebenfalls mehrmals wöchentlich mit der Unausweichlichkeit des Todes und oft fühlte ich mich in diesem Raum mehr als hoffnungslos: Wir alle lernten am Beispiel bereits Verstorbener, um noch Lebenden in unserem Umfeld das Leben womöglich etwas verlängern und erleichtern zu können, doch auch wir konnten den Tod nicht abhalten: Wir konnten ihn nur etwas aufschieben. Es half mir, symbolisch zusammen mit meinem weißen Kittel Jesus als Schutzschild anzuziehen. Ich wusste ja, dass ich auch über dieses Leben hinaus hoffen durfte, dass es damit nicht vorbei war, dass Gott Größeres vorhatte und den Tod bereits besiegt hatte – für die Person, die auf dem Tisch vor mir lag, für meine Kommilitonen und auch für mich selbst – doch mein Herz vergaß das sooft und litt schmerzlich, wenn es sich wieder einmal in Ängsten verrannt hatte.

 

 

In dieser Welt habt ihr Angst, doch verliert nicht den Mut: Ich habe diese Welt besiegt. 

 

Manchmal wünschte ich mir sehnlich, bereits bei Jesus zu stehen, in seinen Armen zur Ruhe zu kommen und endlich nicht mehr meinen rasenden Puls als Reaktion auf all die traurigen und beunruhigenden Geschehnisse dieses Lebens bis in meinen Hals hinauf spüren zu müssen.

Soviel also zu den letzten Jahren und dem Thema Tod, über das ich ja auch in meinem letzten Artikel zum Pflegepraktikum auf der Onkologie schon viel geschrieben habe. Schaut gern einmal rein, ich freue mich.

 

 

Um ehrlich zu sein, trage ich seit ich klein bin, den Gedanken mit mir herum, dass ich „sicher einmal früh sterben werde“. Vielleicht ist das der Grund für viele meiner Sorgen, für die ständige Rastlosigkeit und den immer neuen Versuch, in meinen viel zu kurzen Tag so viel wie möglich an Erfahrungen, Erlebnissen und Leistungen hineinpressen zu müssen, vielleicht ist es allerdings auch nur Symptom. Noch ist nicht die Zeit für mich gekommen, das herauszufinden – oder vielleicht muss ich das auch gar nicht, denn viel wichtiger und heilsamer ist ja der Hintergrund dafür, dass wir auch dieses Jahr wieder Ostern feiern:  

 

Bereits in unserem immer wiederkehrenden europäischen Jahreskreislauf ist es symbolisch sichtbar. Pflanzen, Tiere, Wetter, Jahreszeiten sterben im Winter, ruhen, werden düsterer, kälter, trostloser, nur, um im neuen Frühling mit vermehrter Kraft wieder hervorzusprießen, zurückzuerobern und Land einzunehmen, wo es verloren schien. Die Botschaft: Mit dem Tod ist es nicht vorbei. In Bezug auf die Jahreszeiten wissen wir das und der ein oder andere erträgt den Winter vermutlich nur mit dem Wissen und Vertrauen, dass irgendwann wieder ein warmer Frühling ins Land ziehen wird.

  

Wie passend, dass auch das Osterfest im Frühling gefeiert wird. Denn auch unsere Hoffnung als Christen wird von traditioneller, religiöser, romantisch verklärter Hoffnung zu einer festen, sicheren, Gewissheit, wenn Jesus wirklich von den Toten auferstanden ist. An dieser Frage entscheidet sich alles.

Im 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes schreibt auch Paulus:

 

„Wäre aber Christus nicht auferstanden, so hätte unsere ganze Predigt keinen Sinn, und euer Glaube hätte keine Grundlage. Mit Recht könnte man uns dann vorwerfen, wir seien Lügner und keine Zeugen Gottes. […] Euer Glaube wäre nichts als Selbstbetrug und ihr wärt auch von euer Schuld nicht frei. Ebenso wären auch alle verloren, die im Glauben an Christus gestorben sind. 19 Wenn der Glaube an Christus uns nur für dieses Leben Hoffnung gibt, sind wir die bedauernswertesten unter allen Menschen. 20 Tatsächlich aber ist Christus als Erster von den Toten auferstanden. So können wir sicher sein, dass auch die übrigen Toten auferweckt werden.“

 

Bereits die ersten Christen wussten, wie wichtig diese Tatsache für ihre Glaubwürdigkeit aber auch für ihre gesamte Existenz war. Etwas nur zu glauben um des Glaubens willen, reicht eben einfach nicht. Etwas verändert wird dadurch, wenn das, auf was man hofft, auch wahr ist! Nur – warum war sich Paulus so sicher, dass Jesus auferstanden war? Woher nahm er die Gewissheit, dass auch er nach seinem Tod bei Gott sein würde? Die Antwort findet sich ebenfalls in der Bibel, nur wenige Sätze vorher:

 

„3 Zuerst habe ich euch weitergegeben, was ich selbst empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben. Das ist das Wichtigste, und so steht es schon in der Heiligen Schrift. 4 Er wurde begraben und am dritten Tag vom Tod auferweckt, wie es in der Heiligen Schrift vorausgesagt ist. 5 Er hat sich zuerst Petrus[1] gezeigt und später allen aus dem engsten Kreis der Jünger. 6 Dann haben ihn mehr als fünfhundert Brüder und Schwestern zur gleichen Zeit gesehen, von denen die meisten heute noch leben; einige sind inzwischen gestorben. 7 Später ist er Jakobus[2] und schließlich allen Aposteln erschienen. 8 Zuletzt hat er sich auch mir gezeigt, der ich es am wenigsten verdient hatte[3].“

 

Fazit: Paulus war dem auferstandenen Jesus begegnet. Nur so ist es zu erklären, dass der vorherige jüdische Pharisäer und Christenverfolger plötzlich einen nachweislich (!) so völlig anderen Kurs wählte. Entweder war er vollkommen wahnsinnig oder tatsächlich rational überzeugt. Und für seine Rationalität spricht eindeutig sein weiterer, sehr überlegter und gezielter Weg, mit dem er die Botschaft verbreitete.

 

Was heißt das nun für uns, für dich und mich und wie können – oder besser gesagt, müssen wir logischerweise auf die Botschaft von Ostern reagieren?  

 

In Römer 8,11 heißt es: „Dieselbe Kraft, die Jesus von den Toten auferweckt hat, lebt auch in mir.“ und der Epheserbrief ermutigt uns: „Aber Gottes Barmherzigkeit ist groß. Wegen unserer Sünden waren wir in Gottes Augen tot. Doch er hat uns so sehr geliebt, dass er uns mit Christus neues Leben schenkte. Denkt immer daran: Diese Rettung verdankt ihr allein der Gnade Gottes. 6 Er hat uns mit Christus vom Tod auferweckt, und durch die Verbindung mit Christus haben wir schon jetzt unseren Platz in der himmlischen Welt erhalten[1].“

 

Wenn du Jesus noch nicht kennst, dann lohnt es sich, sich nach ihm auf die Suche zu begeben, Fragen zu stellen, der Sache ein Chance zu geben: Denn du kannst nicht viel verlieren, aber alles gewinnen!

 

Wenn du ihn kennst, so wie ich, aber dein Leben freud- und hoffnungslos geworden ist, wenn du oft in den Sorgen des Alltags vergisst, wie sehr du dich eigentlich freuen könntest und man dir nach außen hin oft gar nicht mehr ansieht, dass du eine ewige Hoffnung hast, weil du sie nicht lebst… Dann kann Ostern dir – wie mir – vielleicht helfen, eine neue, bewusste Entscheidung zu treffen. Manchmal wird uns diese überwältigende Freude von Gottes Geist – der Tote lebendig macht! – einfach geschenkt – so wie beispielsweise am Tag meiner Taufe – und manchmal braucht es Mut, sich zu freuen, eine Aufforderung wie etwa in Psalm 103: „Lobe den Herrn, meine Seele und was in mir ist preise den Namen Gottes! Er hat mir Gutes getan!“ oder in Psalm 118, 24: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Lasst uns freuen und dankbar dafür sein.“

 

In einem Lied von Könige und Priester heißt es: „Warum feiern wir nicht? Warum tanzen wir nicht? Warum jubeln wir nicht – gemeinsam?“ Das hat mich sehr berührt. Ich war bis vor kurzem noch auf einem Kurzzeiteinsatz in Ghana und war tief beeindruckt von der Lebendigkeit und Freude der Gottesdienste. Gerade hier in Deutschland scheinen wir die ausdrucksstarke Freude oft verlernt zu haben: Freude, die überfließt und gar nicht anders kann, als zu teilen, zu tanzen, sich mit jeder Faser von Körper und Seele irgendwie zu äußern. Diese Art von Freude ist eine überaus angemessene Reaktion auf das Geschenk des ewigen Lebens, das wir zu Ostern für jeden ganz persönlich jedes Jahr aufs neue feiern. Das Fest sollte größer sein als Ostereier-Suchen, größer noch als jede Geburtstagsfeier, größer als überhaupt alles, was man feiern kann. Es ist der Tag, an dem Schöpfer und Geschöpf endlich wieder zusammenfinden, der Tag, an dem Leben und Lebenssinn ins Gleichgewicht kommen, an dem Schuld, Verzweiflung und sogar Tod nicht mehr ins Gewicht fallen, weil wir erleben, erfahren, begreifen können, dass es da noch mehr gibt.

 

Jesus wünscht sich sogar Freude für uns, vollkommene Freude. Fast scheint es mir, als würden wir uns das gar nicht mehr trauen, als wirke es in alten Landeskirchen fehl am Platz, unangemessen, unhöflich. Aber das sollte so nicht sein!

 

Das habe ich euch gesagt, auf dass meine Freude in euch sei und eure Freude vollkommen werde. – Jesus, Johannes 15,11

 

Und:

„Du tust mir kund den Weg zum Leben:

Vor dir ist Freude die Fülle

und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“ (Psalm 16,11) 

 

Ich habe vor kurzem ein Bild auf Instagram gesehen, das ich zwar witzig, aber auch sehr bezeichnend fand: Ostern ist zu einem bloßen Volksfest geworden, die wenigsten assoziieren es noch zuerst mit Jesus, seinem Tod und seiner Auferstehung (ich meine, wie krass ist das denn bitte, was wir da feiern?!), sondern stattdessen mit Ostereiern und einem Hasen, der sie aus einem schwer rekonstruierbaren Grund irgendwie irgendwo verteilt. Doch isoliert von seiner eigentlichen Bedeutung ist das Osterfest kraftlos geworden, kein Wunder, dass niemand mehr Fragen stellt.

 

Als wir in Ghana das Markusevangelium in einem Rundtheater und mit einem gemischten Team aus ghanaischen und deutschen Studierenden aufführten, waren die Reaktionen des Publikum sehr bewegend. Das Stück endet wie in der Bibel mit den letzten Worten des Engels, der nach einer langen, schonungslosen Kreuzigung drei Tage später Jesus Auferstehung verkündet und die Zuschauer mit der herausfordernden Frage entlässt, ob das wirklich wahr sein kann. Nach unserer dritten Aufführung irgendwo im vierten Stock eines Gemeindegebäudes in Accra begannen wir gemeinsam mit dem Publikum mit dutzenden Stimmen laut „I surrender all“ durch die offenen Fenster hinaus in die Stadt zu singen. Es war ein purer Gänsehaut-Moment, voller Leidenschaft, Hingabe und Freude. Die einzige Reaktion, die als Antwort auf Gottes Geschenk an uns angemessen schien. Ich habe euch das Stück und das Lied einmal verlinkt – auch wenn alles in echt natürlich noch viel ergreifender war. Wir hatten in diesem Moment den Eindruck, nicht mehr nur auf dieser Erde zu sein, sondern gemeinsam bereits ein Stück von Gottes Reich zu erleben, das um uns herum in jedem Augenblick bereits existierte und wuchs. Es war unglaublich.

 

Diese Dinge sind es, die uns begeistern sollten, die uns zum Lachen, Weinen, Tanzen auffordern. Natürlich bedeutet das nicht, das Auge für unsere Mitmenschen zu verlieren, denn die Probleme dieser Welt sind real, Jesus negiert sie nicht. Er selbst erleidet unheimliche Schmerzen und große Angst. „Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden.“ (Römer 12,15) Und ja, es stimmt: Für jemanden, der Jesus noch nicht begegnet ist, mag diese Geschichte märchenhaft, haarsträubend, unlogisch, komisch, alles zugleich sein. Aber verblüfft es wirklich, dass Gott, wenn er größer ist, als unser Verstand, einen Rettungsplan für die Menschheit kreiert, auf den wir selbst nie gekommen wären, der uns überfordert und vielleicht sogar lächerlich vorkommt? Wenn er allzu schlüssig wäre, zu einfach, zu naheliegend – dann wäre er sicher nicht von Gott. Aber dazu einmal in einem anderen Artikel mehr.

 

Auch von Ghana werde ich natürlich noch mehr berichten.

 

Doch diesen Text hier möchte ich mit einer Ermutigung abschließen: Feiert das Leben! Hofft, denn ihr habt Grund dazu! Verbringt Zeit mit ihm, um euren Blick immer wieder von der irdischen Perspektive auf die Himmlische einnorden zu lassen. Tanzt! Lacht!

Und vor allem - freut euch! Freut euch, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke! 

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