Nebelfinger greifen ineinander, versperren rings um mich die Sicht, ertasten forsch als kühle, nasse Tropfen meine Atemwege. Dampfwölkchen erobern bald meine geröteten Wangen und die kalte Nasenspitze. Tritt um Tritt trampele ich neben meinem Vater den Waldweg zur Arbeit hinauf, 300 Höhenmeter in etwa, und man hört lediglich den Kies unter unseren Fahrrädern, vermischt mit dem Stakkato unseres schnellen Atems, während der Nebel ringsum jegliche Geräusche schluckt.
Da es kaum 6 Uhr morgens ist, ist der Wald, der uns umgibt, noch vollkommen nachtschwarz, doch trotz Stirnlampe kann man kaum etwas von dem Weg erkennen. Je weiter vorn ich versuche, mit dem hellen Licht einen Blick auf den Boden zu erhaschen, desto stärker reflektiert der Nebel, wirft spiegelnd helle Schatten, die vor den Augen schlingern und blendet mich.
Das Ganze stört erheblich beim Fahren, krampfhaft umklammere ich den Lenker, kneife beständig die Augen zusammen, um etwas zu erkennen. Irgendwann gehe ich dazu über, nur noch auf die paar Meter direkt vor mir zu leuchten, das funktioniert wesentlich besser, auch wenn es bedeutet, gefühlsmäßig völlig ins Ungewisse zu fahren.
Schon während der Fahrt fällt mir die Allegorie auf und ich muss fast ein wenig lachen. Auch mein Leben fühlt sich momentan ziemlich ähnlich an, wie diese bizarre Fahrradtour: Ich kenne die nächsten Schritte und Termine, die direkt vor mir liegen: Meine derzeitige Famulatur, danach ein Monat Vorbereitungen in Marburg und im Anschluss meine Hochzeit mit den Flitterwochen. Doch wohin es danach für uns weitergeht; ob ein halbes Jahr lang oder ein ganzes, in eine Wohnung, die wir schon kennen, oder eine andere... Über all diesen Fragen liegt noch diffuser Nebel, der mich unterschwellig ehrlich gesagt ziemlich herausfordert. Wenn ich versuche, weiter in die Zukunft zu blicken und mehr zu planen, komme ich ins Straucheln, aber wenn ich Gott jeden Tag neu um Weisheit, Kraft und Vertrauen bitte, einfach einen Schritt vor den nächsten zu setzen, dann geht es viel leichter. Es ist genau, wie Jesus es sagt: "Sorgt euch nicht um Morgen, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Die Sorgen von heute sind für heute genug."
Und dann geschieht etwas Erstaunliches: Mein Vater fährt in etwa 30 Meter vor mir, durch die dichten Schwaden sehe ich ein rotes Rücklicht wabern. "Mach das Licht mal aus.", sagt er. Und als ich das tue, erlebe ich einen wahren Aha-Moment: Ohne meine eigene, blendende Taschenlampe sieht man auf einmal das erste Licht der Dämmerung - und das Sehen wird um Längen einfacher. Lediglich das rote Rücklicht zeigt mir, wo ich hinmuss, nun viel deutlicher erkennbar. Eine weitere Metapher für mein Leben mit Gott!
"Herr", bete ich, "hilf mir, meinen eigenen Verstand, die Perspektive, mit der ich auf's Leben schaue, öfter auch einmal "auszuschalten". Lass mich die Dinge MEHR in deinem Licht sehen, ungeblendet vom Streulicht dieser Welt um mich herum. Schärfe meinen Blick für das, was wirklich zählt und schenke mir das Vertrauen, meine Lampe auszuschalten!"
Ein wenig durchgefroren, aber glücklich, erreichen wir das Krankenhaus und ich starte so erfrischt und fröhlich wie seit Langem nicht mehr in den neuen Arbeitstag.
Kommentar schreiben