Nach unserer Landung in Bangkok lernten wir eines recht schnell: In Thailand ist es nicht nur sehr warm, die Dinge funktionieren auch einfach ein bisschen anders als in Deutschland. Während ich daheim niemals einfach so ein Taxi nehmen würde, ist hier über die App "Grab" alles innerhalb von Minuten erreichbar und dabei noch ziemlich günstig. Nicht nur Transport, auch die nächste Mahlzeit oder Unterkunft kann darüber organisiert werden.
Im Hotel angekommen nutzten wir die ersten zwei Tage also zum Ankommen, Jetlag ausschlafen, Sim-Karten besorgen, Geld abheben und was man sonst alles noch so machen muss, wenn man sich plötzlich am anderen Ende der Welt befindet. Von Anfang an war es uns wichtig, den Tag gemeinsam mit Gott zu beginnen und zusammen in der Bibel zu lesen und zu beten.
Bangkok - oder zumindest der winzige Teil, den wir davon bereits miterlebten, war laut, bunt, überfüllt und schnell, aber auf seine ganz eigene Art und Weise irgendwie auch ästhetisch. Hunderte Wolkenkratzer reckten stolz ihre eisernen Köpfe in die Luft, umgeben von Smog und Motorenlärm. Frankfurt war wirklich nichts dagegen. Der erste Eindruck musste jedoch zunächst einmal genügen. Vermutlich würden wir zwischen unseren zwei Einsätzen - oder spätestens danach - etwas Zeit haben, um die heißeste und meist besuchte Stadt der Welt in Ruhe zu erkunden.
Für die ersten Wochen hatten wir noch keine genauen Pläne gemacht. Nun endlich in Thailand gelandet, beschlossen wir, mit einem Bus bis ganz in den Süden auf die Insel Phuket zu fahren und von dort aus langsam wieder den Weg zurück nach Bangkok anzutreten. Wir wollten uns bewusst Zeit nehmen, nicht nur auf einem anderen Kontinent, sondern auch in einer anderen Kultur anzukommen und so fuhren wir mit großen Augen einmal quer durchs Land, staunten über Palmenplantagen, Karst-Felsen und Tempelanlagen.
Die nächsten Wochen verbrachten wir jeweils zwei bis drei Tage an einem Ort, wobei uns unsere Reise über Phuket nach Krabi, von Krabi zum Khao-Sok-Nationalpark und von dort aus weiter zu den Inseln Koh Samui und Koh Tao führte, wo wir uns jetzt gerade befinden.
Phuket überraschte uns nicht nur mit seiner modernen, liberalen Haltung, sondern auch mit den vielen touristischen Angeboten, die uns mitunter völlig überforderten. In Patong gab es alle 20 Meter einen Weed-Store, in dem man Cannabis erwerben konnte, Massage-Salon reihte sich an Massage-Salon und natürlich luden unzählige Bars und Clubs die Besucher ein, die eben nicht nur für die Natur auf der Insel waren. Da wir gerade Juni hatten, hing auch die ganze Altstadt voller LBTQ+-Flaggen, sodass wir uns manchmal fragten, wie weit wir denn nun wirklich von Marburg entfernt waren. All diese Eindrücke bildeten einen extremen Kontrast zu den vielen Traditionen und spirituellen Bräuchen, die in Thailand nach wie vor großen Stellenwert besitzen. Wir erkundeten einige Tempelanlagen und Buddha-Statuen, beobachteten die meditierenden Mönche und betenden Thai-Frauen und sogen alle Details so gut wie möglich in uns auf. Vielleicht würde es uns in Zukunft noch helfen, mehr von dem Glauben und den Werten der hier lebenden Menschen zu verstehen.
Wir waren ehrlich gesagt relativ froh, als wir von Phuket aus nach Krabi weiterfahren konnten. Die Stadt war definitiv etwas ruhiger und obwohl Phuket uns die Möglichkeit verschafft hatte, einige der wunderschönen umliegenden Inseln zu erkunden, Drehorte berühmter Filme zu besuchen und einen kleinen Einblick in das Leben der muslimischen Kommunen zu erhaschen, die vor allem im Süden Thailands lebten, hatten wir sofort das Gefühl, in Krabi wieder etwas freier atmen zu können. Landschaftlich gefiel uns die Gegend mit der steilen Küste neben viel weniger vermüllten Stränden, den Karst-Felsen und Mangrovenwäldern unheimlich gut und da wir in einer sehr ruhigen Ecke untergekommen waren, fühlten wir uns hier schnell wohl. Bei einem thailändischen Kochkurs hatten wir außerdem die Möglichkeit, mit ein paar anderen Besuchern im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt zu reden und es tat sehr gut, mal etwas anderes außer "Danke", "Hallo", "Auf Wiedersehen", "Sehr lecker!", "Nicht so scharf bitte." und "Entschuldigung" zum Gespräch beitragen zu können. Wir versuchen beide, ein bisschen Thai zu lernen, doch die Sprache ist aufgrund der fremden Schriftzeichen und den fünf verschiedenen Arten, eine Silbe zu betonen, ziemlich schwierig. Mai mai mai mai mai - Das kann tatsächlich " " heißen!
Nach Krabi folgte der Khao-Sok-Nationalpark. Hier trennte sich touristisch ein wenig die Spreu vom Weizen, da zum Glück nur diejenigen herkamen, die sich wirklich für die Natur und weniger für das Feiern interessierten. Wir sahen auf unseren Wanderungen und Bootsfahrten viele unterschiedliche Schlangen- und Spinnenarten, Chamäleons, Gibbons, Affen, Eidechsen, Warane, Skorpione, Vögel und andere spannende Insekten. Der Chaow Lan-Stausee, erst in den 80er Jahren angelegt, verschlug uns mit seinem azurblauen Wasser und den bisweilen bizarren Felsformationen besonders den Atem. Hier kletterten und schwammen wir im Rahmen einer geführten Tour auch durch die Nam-Talu-Höhle - um erst später zu erfahren, dass vor einigen Jahren während der Regenzeit schon einmal mehrere Touristen hier ums Leben gekommen waren...
Obwohl wir uns offiziell in der Regenzeit befinden, bedeutet das für thailändische Verhältnisse eigentlich nur, dass es alle paar Tage mal 30 Minuten regnet. Es ist bewölkter, windiger und etwas schwüler als in den Wintermonaten, doch damit kommen wir bisher ziemlich gut zurecht. Wenn man den Leuten vor Ort glauben mag, ist es in der Haupt-Saison noch viel voller... und wir finden es jetzt schon ziemlich überfüllt.
Das mit dem Tourismus ist außerdem so eine Sache: Einerseits macht es uns traurig, Auswirkungen wie Müll am Strand zu sehen, gleichzeitig profitieren wir von den günstigen Preisen hier. Ein Thailänder verdient im Monat umgerechnet in etwa 500 Euro. Für diesen Standard ist es natürlich lebenswichtig, dass die Essenspreise nicht höher sind. Aber sobald wir aufgrund der Globalisierung von außen in dieses System eindringen, wird es irgendwie komisch. Es macht uns traurig, zu wissen, dass jemand mit durchschnittlichem Gehalt aus Thailand umgekehrt niemals in Deutschland leben könnte. Und dennoch: Irgendwie ist es ein Teufelskreis, denn 70-80% der Einnahmen der Leute hier kommen vom Tourismus. Gar nicht mehr zu kommen, wäre für die Menschen hier also erst einmal keine Erleichterung, sondern würde abrupte Einbußen im Geschäft bedeuten.
Ein weiteres Thema, das uns beschäftigt, ist die Prostitution. Offiziell ist diese in Thailand strikt verboten, die Gesetze haben jedoch lediglich dazu geführt, dass die unzähligen Massage-Salons ihre Angebote nicht mehr explizit auflisten. Und die Obrigkeit drückt ein Auge zu. Namen wie "love massage", "hot massage" oder "fly high massage" deuten allerdings weiterhin ziemlich deutlich darauf hin. Je mehr wir ein Auge dafür bekommen, desto öfter sehen wir auch junge Thailänderinnen mit älteren, europäischen oder amerikanischen Männern herumlaufen. Schätzungen zufolge arbeiten bis zu 6% aller Frauen hier zumindest zeitweise in der Prostitution, was eine Zahl ist, die uns ziemlich erschreckt.
Von Krabi aus geht es mit der Fähre weiter nach Koh Samui. Auf dieser Insel besuchen wir einen thailändischen Gottesdienst der sehr lebendigen, fröhlichen, erweckten Samui Mercy Church. Die Predigt wird simultan auf Englisch übersetzt, es gibt eine lange Lobpreis-Zeit auf Englisch und Thai und im Anschluss wird während einer Ministry-Zeit auf den heiligen Geist und sein Wirken gehört. Alles in allem wirkt die Gemeinde ähnlich wie die Pfingstgemeinden, die wir aus Deutschland kennen, uns beeindruckt jedoch die Energie vor allem im Lobpreis sehr: Es wird getanzt, geklatscht und gelacht. Die Predigt ist eine echte Ermutigung und insgesamt erlebe ich Gott während des dreistündigen Gottesdienstes sehr. Erst jetzt merken wir wieder einmal, wie gut die Gemeinschaft mit anderen Christen tut.
Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es gemeinsames Mittagessen und wir kommen endlich mit Leuten von hier ins Gespräch. Wenn die Verständigung schwerfällt, springen ein paar Philippinerinnen mit Englisch ein und ich lasse mir zeigen, wie man "Gott segne dich." auf Thailändisch sagt.
Auch ein Deutscher namens Alex gehört zu den vielen internationalen Mitgliedern der Gemeinde. Er erklärt uns, dass die Prostitution oft in der Altersarmut begründet liegt: Die Renten sind hier so gering, dass die Familie gezwungen ist, die Großeltern finanziell mit zu tragen. Oft sehen die Enkel keine andere Lösung, als da nötige Geld auf diesem Weg zu verdienen. Wie schrecklich...
Aber es tut gut, immer mehr Hintergründe zu verstehen und Beziehungen zu den Menschen hier zu knüpfen.
Nach Koh Samui machen wir uns auf den Weg zu unserem letzten Stopp: Wieder geht es auf die Fähre, diesmal in Richtung Koh Tao. Hier dürfen wir noch einmal ein wenig auftanken, in der schönen Natur wandern, am Strand schnorcheln, Gottes Schöpfung bewundern und innerlich wie äußerlich zur Ruhe kommen. Es tut gut, zusammen den Philipper-Brief zu lesen und die Lektüre "Live no Lies" von John Mark Comer weckt in mir den Wunsch, tiefer in kompromisslose Nachfolge Gottes einzutauchen.
Auch wenn wir hier die Möglichkeit haben, uns an die Dinge zu gewöhnen, die in Thailand eben anders sind (beispielsweise Linksverkehr; Hygiene-Maßnahmen; respektvolle Verbeugungen in jedem Gespräch; kein öffentliches Umarmen, Händchenhalten oder gar Küssen; Schuhe Ausziehen vor Betreten von Wohnungen oder Tempelanlagen; etc. ...) und obwohl wir ab und zu mit Touristen über das Thema Glauben ins Gespräch zu kommen können (Davids Studium ist da ein guter Aufhänger!), freuen wir uns doch schon sehr darauf, im Rahmen unseres Einsatzes aktiv zu werden und den Missionaren aber auch den thailändischen Kindern hier zu dienen.
Gebetsanliegen:
Betet gerne für unsere Fortschritte im Thai und generell einfach um die Möglichkeit, sich während unseres Einsatzes gut verständigen zu können.
Betet mit für die Menschen hier, die in Prostitution, Armut oder anderen Abhängigkeiten leben.
Wir freuen uns, wenn ihr auch dafür betet, dass wir als Ehepaar und Team immer weiter zusammenwachsen, an Herausforderungen (wie beispielsweise ständigem Weiterreisen ohne einen festen Ort zum Wohnen) stärker zu werden, und trotzdem gut in den Gruppen zu funktionieren, in denen wir in den nächsten Wochen arbeiten werden.
Danke, ...
... für euer Interesse, eure Gebete, euren Rückhalt.
... dass wir sowohl das Essen, als auch das Klima gut vertragen.
... für das Privileg, unheimlich schöne Schöpfung und neue Kulturen kennenlernen zu dürfen.
... dass Gott schon so viele unserer Gebete erhört hat und uns führt.
Kommentar schreiben
Irene (Samstag, 22 Juni 2024 21:27)
Sehr schön, an Euren Erlebnissen, Erfahrungen und Gefühlen teilzuhaben. Danke