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Thailand #6 - Urban Poor

Vom Flughafen in Singapur aus schreiben wir diese Zeilen, um euch auch über die letzten Tage in Bangkok zu berichten. Es ist wohl nicht untertrieben, zu sagen, dass diese definitiv zu den intensivsten unserer gesamten Zeit in Thailand gehörten! Zum einen liegt das vermutlich daran, dass uns der nahende Abschied sehr deutlich bewusst wahr, zum anderen waren wir plötzlich nicht mehr in einer großen Gruppe, sondern nur zu zweit unterwegs. Da ist man dann viel mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit und muss eigentlich fast immer wach und aktiv sein. Unddrittens haben uns die Projekte in Bangkoks Armenvierteln unheimlich berührt.  

Aber von vorn: Am 23. Juli kamen wir nach einem etwas traurigen, aber doch auch sehr schönen Abschied von unserer Gruppe gegen kurz vor Mitternacht in dem Hotel an, das wir für die letzten 6 Nächte gebucht hatten. Es war nicht teuer, dafür aber direkt neben einer großen Einkaufsmall gelegen und nicht weit von den Einsatzstellen entfernt. 

 

Am Morgen nächsten Tages trafen wir uns dann mit Vincci von OMF zum Frühstück,  die sich die Zeit nahm, uns unsere Fragen zu beantworten und uns bereits etwas in der Gegend herumzuführen. Sie kam ursprünglich aus Hong Kong und arbeitete nun schon lange mit Urban's Poor zusammen. Zunächst zeigte sie uns, wie wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Bangkok vorankommen konnten (für uns ebenfalls eine neue Erfahrung) und im Anschluss besuchten wir einen Bereich des Slums, wo wir eine andere Mitarbeiterin bei zwei Hausbesuchen begleiten und auch für die gesundheitlichen Probleme zweier Frauen beten durften. Da David gesundheitlich angeschlagen war, waren wir allerdings auch froh, dass unser erster Tag bereits um fünf Uhr nachmittags vorbei war und wir uns noch ein bisschen ausruhen konnten.

 

Der 25. Juli hatte es dafür nämlich auch wirklich in sich: Bereits um 9 Uhr trafen wir uns mit Dam, dem Leiter der Maana-Stiftung. Er nahm sich die Zeit, uns alles über die Entstehung des Projektes zu erzählen und uns in Ruhe herumzuführen. Die Zeit mit Maana hat David und mich besonders berührt, weshalb ich beschlossen habe, an anderer Stelle mal einen richtigen Artikel darüber zu schreiben. Für einen groben Überblick gibt es hier aber bereits eine kurze Zusammenfassung: 

 

 

Nach der Führung durften wir dabei helfen, die verschiedenen Transporter zu be- und entladen, welche die gebrauchten Sachen abholen oder ausliefern würden. Es tat gut, einmal seinen Kopf ausschalten und einfach körperlich arbeiten zu können. Gegenüber von Maana (von Manna aus dem alten Testament) befand sich auch die Baannokamin-Stiftung, in deren Waisenhaus Dam aufgewachsen war und es war schön, auch einen Einblick in diese Arbeit zu bekommen, die ebenfalls wiederum von Maana unterstützt wurde. Hier wurde sichtbar, wie die Investition in Menschen sich ausgezahlt hatte: Ein Waisenjunge hatte Bildung, ein Zuhause und Liebe erfahren. Und nun entfaltete er sein volles Potential und gab mehr als hundertfach zurück. Dam und die anderen Mitarbeiter erlebten wir als unheimlich offen, großzügig und gastfreundlich: Wir wurden zum Mittagessen und am Tag darauf sogar zum Thai-Boxen und zum Abendessen eingeladen. 

 

Am Nachmittag machten wir mit den Kindern im Kid's Gym ein Programm: Am ersten Tag sangen wir Lieder, spielten Fußball und wiederholten einige Dinge aus dem Sattha-Programm, am zweiten kochten wir  mit den Kindern "deutsche Bolognese", machten Musik und spielten Gesellschafts-Spiele. Am 26. Juli fuhren wir mit dem Team außerdem noch in einen anderen Slum, wo wir Hausbesuche bei einigen ärmeren Familien machten und morgens in einem Kindergarten ein Englisch-Programm durchführten. Dafür bekamen wir der Einfachheit halber auch erstmals unsere thailändischen Namen: Ich war fortan "Pleen" (Musik) und David "Cha" (Tee).  

 

Nach dem Thai-Boxen hatte ich im Restaurant  leider plötzlich juckenden Ausschlag am ganzen Körper, sodass David und ich spontan ins Krankenhaus fahren mussten. Zum Glück waren Dam und seine Frau mit dem Auto da, sodass wir relativ schnell im ultra modernen, gut ausgestatteten Vejthani-Hospital ankamen und meine "akute Urtikaria" mit Antihistaminika und Cortison behandelt werden konnte. Ich war dankbar dafür, dass den Umständen entsprechend alles sehr glimpflich abgelaufen war, doch es war schade, dass wir uns dadurch kaum von dem Team hatten verabschieden können und stattdessen sehr überstürzt aufgebrochen waren. 

 

Am nächsten Tag ging es mir schon besser, auch wenn es sich seltsam anfühlte, die Ursache nicht zu kennen. Glücklicherweise war der Samstag im Vergleich nun relativ entspannt: Wir nahmen ein Grab zu einem anderen Slum in Bangkok, wo Angelika (eine Deutsche) mit ihrem Team ebenfalls eine Anlaufstelle für Kinder- und Jugendprogramm leitete. Während in den Kid's Gyms nicht direkt über den Glauben geredet und dieser vor allem gelebt wurde, wurde hier sehr offen damit umgegangen. Die Kinder lernten Bibelverse auswendig, sangen zusammen Lieder und beteten gemeinsam. Es war schön, einmal zu erleben, dass es auch so funktionieren konnte. Nach dem Programm (wir kochten zusammen Nudeltaschen) durften wir ebenfalls für die Kids beten und halfen anschließend beim Aufräumen und Abspülen. Danach hatten wir die Gelegenheit, uns mit den drei Mitarbeitenden zusammen zu setzen. Angelika erzählte, dass einige der Kinder bewusst mit Jesus lebten, was uns sehr freute. Besonders M's Geschichte berührte uns außerdem sehr: Er war 30 Jahre lang angesehener, hochrangiger, buddhistischer Mönch gewesen, hatte dann aber Jesus kennengelernt und arbeitete nun mit Kindern und Jugendlichen aus den Slums. Ich fragte ihn, ob er den Respekt und die Achtung der anderen Thailänder und Thailänderinnen ab und an vermisste, doch er entgegnete nur, dass es nicht darum ginge, selbst Ehre zu bekommen, sondern dass auch Jesus vor allem gekommen war, um zu dienen. Die Weisheit und Demut dieses Mannes beeindruckte uns zutiefst. 

 

Mein Ausschlag kam zurück, sodass ich noch einmal zu einem Gespräch ins Krankenhaus bestellt wurde, zuvor konnten wir jedoch glücklicherweise noch Vinccis Gemeinde besuchen und dort den Kindergottesdienst leiten. Die "Kinder" waren allerdings schon Teenager (einige davon beinahe 18), sodass wir spontan unsere Pläne über den Haufen warfen und stattdessen eine kleine Bibelarbeit zusammen machten. Im Anschluss hatten wir die Gelegenheit, mit Vincci als Übersetzerin unsere Zeugnisse zu teilen und ich hatte den Eindruck, dass die Zeit mit diesen jungen Erwachsenen eine sehr kostbare war. Sie schienen uns sofort ins Herz geschlossen zu haben, wir kommunizierten eifrig mit dem Google-Übersetzer, machten nach dem Gottesdienst zusammen Musik, flochten Zöpfe (also sie mir :D) und beteten zum Schluss noch zusammen. Später erfuhren wir, dass gerade die älteren Mädchen bereits in Fabriken arbeiten mussten und der Gottesdienst oft das Highlight ihrer Woche war. Oh Mann... in Deutschland geht es uns oft einfach zu gut.

 

Alle betonten, wie sehr sie sich freuen würden, uns wiederzusehen und auch wir merkten, dass es uns nach diesem Gottesdienst noch schwerer fallen würde, Thailand zu verlassen. Vincci schien das schon zu ahnen, denn sie lud uns nach der Kirche zu einem Dessert-Debriefing in der Mall ein. Es war ein kurzes und sehr herzliches Feedback-Gespräch, doch es half uns, viele Eindrücke der letzten, sehr intensiven Tage zu reflektieren und zusammenzufassen. 

 

In den letzten Stunden in Bangkok nutzten wir die Gelegenheit, um das letzte Mal unsere Lieblingsessen zu essen, die letzten Mitbringsel zu besorgen und noch einmal ins Krankenhaus zu fahren. Dort erzählte man mir, dass ich - wie anfangs vermutet - keine allergische Reaktion, sondern vermutlich eine Autoimmun-Reaktion gegen ein Virus hatte und obwohl ich mich wie bereits zuvor gut aufgehoben und aufgeklärt fühlte, machte die leichte Ungewissheit den Abschied auch leichter. Es fühlte sich an, als wäre es genau der richtige Zeitpunkt: Die Aussicht, mit der unklaren Diagnose bald in Deutschland zu sein, beruhigte mich auf jeden Fall. 

 

Unsere Rückreise verlief flüssig, entspannt und ganz nach Plan. In Singapur am Flughafen konnten wir die Nacht zum Schlafen nutzen und der Flug nach Frankfurt war zwar lang, aber auch sehr ruhig. Ich hatte zuvor große Angst vor dem Sinkflug gehabt, da mit der aufsteigenden Erkältung, die ich nun immer mehr spürte, bereits in Singapur der Druckausgleich auf beiden Ohren nicht mehr möglich gewesen war (nach dem Flug nach Ghana letztes Jahr konnte ich zwei Wochen lang nichts auf meinem rechten Ohr hören!), doch Gott tat ein Wunder und bewahrte meine Ohren. Dafür und für die lieben Menschen, die uns in Frankfurt in Empfang nahmen, abholten und mit mehr als genug versorgten, sind wir sehr dankbar. Nun in Davids Heimat angekommen, nutzen wir die Zeit zum Gesund-Werden, Reflektieren, Erinnern und Beten. Es wird bestimmt noch einige Zeit dauern, bis unser Gehirn und Herz hinterhergekommen sind und wir Toilettenpapier nicht mehr reflexartig in den Mülleimer werfen, doch bereits jetzt sind wir erfüllt von neuen Erfahrungen, Erlebnissen und Erinnerungen, von denen wir bestimmt noch lange erzählen können.

 

Gebetsanliegen:

  • Ganz viel DANKE.
  • Für unsere Gesundheit (Nesselsucht, Erkältung, Magenprobleme xD)
  • Für die Kinder und Jugendlichen des Urban Poor Projects (ganz speziell für diejenigen, die sich für Jesus entschieden haben und damit klarkommen müssen, dass sie damit in den Augen vieler - vielleicht auch ihrer Familien - nun keine richtigen "Thais" mehr sind) 
  • Für das Maana-Projekt 
  • Geduld und Ermutigung für die Missionare vor Ort
  • für unseren Umzug und den kommenden Monat, wenn ihr mögt (wir haben ja noch keine Wohnung und werden weiterhin viel unterwegs sein)