· 

Klimawandel in der Medizin - Was kann ich tun? Was darf ich hoffen?

Klimawandel, Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein waren in meinem Leben schon lange vor dem Beginn meines Medizinstudiums ein Thema. Mit der Schulklasse nahmen wir damals gemeinsam an den Fridays-for-Future teil und ich kann mich noch gut daran erinnern, dass mir durch gute Aufklärung und hilfreiches Material im Unterricht, aber auch durch das Bibellesen zuhause die Augen dafür geöffnet wurden, wie wir mit der Welt umgehen - und was Gott sich eigentlich von uns wünscht. Je jünger man ist, desto einfacher scheint es in gewissen Punkten, umweltschonende Entscheidungen zu treffen und diese einzuhalten.

 

Ich bin in Wernigerode im Harz aufgewachsen und in dieser Kleinstadt gab es nicht Vieles, das man im Alltag nicht durch eine nachhaltigere Alternative hätte ersetzen können. Doch wenn man erwachsen wird, einen eigenen Haushalt führt und in einem Umfeld arbeitet, in dem Hygiene in der Prioritätenliste oft weit über der Nachhaltigkeit steht, dann wird das Leben komplizierter. Ich möchte hier erzählen, wie ich als Medizinerin den Klimawandel erlebe, was das Thema mit mir macht und wie ich im Alltag - und in meinem Berufsfeld - damit umgehe.

 

Zuerst einmal muss hier erwähnt werden, dass ich mich noch mitten in meinem Medizinstudium befinde, in der Nahrungskette als Praktikantin und Famulantin also noch ganz unten stehe und - erst einmal ganz realistisch betrachtet - oft wenig Einfluss auf offizielle Entscheidungen im Bereich Nachhaltigkeit habe. Allerdings gilt hier, wie auch überall sonst, dass das Zurückweisen von Verantwortung leider keine Lösung ist. Für mich persönlich habe ich daher beschlossen, in meinem kleinen Einflussbereich, meinem Alltagsleben, Verantwortung zu übernehmen und dort einen Unterschied zu machen, wo ich es kann. Es wird die Welt nicht retten und ich kann mir damit keine Auszeichnung verdienen, aber ich kann eines Tages mit dem Wissen vor meinen Schöpfer treten, dass ich versucht habe, seine Schöpfung so gut wie möglich zu behandeln. Und wenn alle aus derselben Resignation heraus nichts tun würden, - dann wäre Veränderung erst recht nicht möglich!

 

Wie sieht das also konkret aus?

 

Am Anfang jeder Veränderung steht die Information. Sich zu informieren kostet Zeit und tut oft weh: Wer will schon wirklich in aller Ausführlichkeit mit ansehen, wie die Tiere behandelt werden, die wir als billiges Fleisch der Kategorie „Käfighaltung 1“ kaufen können? Wer möchte den Feierabend dazu gebrauchen, mehr über Fast Fashion, Modern Slavery und Artensterben zu lernen? Unwissenheit bewahrt uns oft vor einem schlechten Gewissen. Und ich muss gestehen, dass auch ich eine Zeit meines Lebens so überfordert mit der Masse an Unheil war, den allein schon unser westlicher Lebensstil weltweit anrichtet, dass ich am liebsten überhaupt keine Nachrichten mehr geschaut hätte. Mein Impuls war es, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Doch in der Bibel werden wir dazu herausgefordert, unsere Fehltritte ans Licht zu holen, damit Gutes daraus werden kann. Und je mehr ich in der Lage bin, mein eigenes Verhalten zu reflektieren, desto leichter fällt es mir auch, dieses zu ändern.

 

Als Studentin brauche ich für die meisten Strecken kein Auto. Mit dem Semesterticket fahre ich Bus, Zug oder auch Fahrrad, um mich - als netter Nebeneffekt - vor einem langen Tag am Schreibtisch oder im Labor ein wenig zu bewegen. Das ergibt auch aus gesundheitlichen Gründen Sinn und da ich mich in meiner späteren Arbeit als Ärztin ohnehin auf einen sehr ganzheitlichen Ansatz konzentrieren möchte, lohnt es sich, nicht nur darauf zu achten, ob das Innenleben eines Menschen Veränderung benötigt, sondern auch einen Blick auf das Umfeld zu richten, in dem sie oder er lebt. Ein weiteres Beispiel dafür ist der westliche Fleischkonsum: Ich esse selten Fleisch, - wenn, dann nachhaltig „produziertes“, weniger Antibiotika-behandeltes - und achte zusammen mit meinem Ehemann darauf, Müll zu trennen, sowie nicht zu viel Strom, Wasser und Gas zu verbrauchen. Viele Dinge waren lange nicht auf unserem Radar, aber beispielsweise auch im finanziellen Bereich lohnt es sich, einmal nachzuhaken, wofür die Bank, auf der ich mein Geld anlege, dieses überhaupt einsetzt. Zwischen Rüstungsverfahren und umweltfreundlichen oder humanitären Projekten liegt ein meilenweiter Unterschied! (Mein persönlicher Tipp ist hier die GLS-Bank, bei welcher man sogar selbst mitentscheiden kann, worin investiert und welches Projekt unterstützt wird.)

 

Im Supermarkt kann man mittlerweile viel Gemüse und Obst unverpackt kaufen und es ergibt Sinn, darauf zu achten, wo welches Lebensmittel angebaut worden ist. Saisonales, regionales Essen ist immer die beste Wahl! Marburg hatte bis vor kurzem auch einen Unverpackt-Laden, der während Corona leider schließen musste, - es gibt jedoch viele Food-Sharing-Projekte, Next-Bike-Stationen, Secondhand-Läden und natürlich die Recup-Becher. 

 

Doch wie Sieht das im Krankenhaus aus?

Plastik war und ist schon lange das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, hygienisch zu arbeiten. Plastikverpackungen sind aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenken, sei es als Teil von Medikamentenblistern, künstlicher Ernährung, Flexülen, in Handschuhen oder beim Pipettieren im Labor. Schon während eines Schülerpraktikums war ich schockiert von den Mengen an Plastik, die täglich weggeschmissen werden. Doch geht es überhaupt anders? Gibt es andere Möglichkeiten? Wieder heißt es: Information ist der erste Schritt. Beispielsweise gibt es verschiedene Sterilisationsverfahren, welche die Wiederverwendung vieler Materialien ermöglichen und Einmalverpackungen vermeiden können. Auch im OP ist es sinnvoll, einen Blick auf die verwendeten Narkosegase zu werfen - und wenn möglich auf ein nachhaltigeres Konzept umzusteigen. Darüber hinaus werden mittlerweile auch Dosier-Aerosole ohne FCKW produziert, die eine gute, umweltfreundliche Alternative darstellen. Mein erstes Pflegepraktikum habe ich in einem als „Green Hospital“ zertifizierten Krankenaus in Rheinland-Pfalz absolviert. Von der deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifizierte Gebäude sind ressourcensparender, wirtschaftlich effizienter und verbrauchen im Vergleich zu älteren Gebäuden 50% weniger Wärmeenergie. Auch innovative Technologien – wie beispielsweise hocheffiziente Raumlufttechnik-Anlagen mit einer dreifachen Wärmerückgewinnung für hygienisch sensible Bereiche, wie die Operationssäle, sind Teil des Konzepts und es wird Wert auf LED-Technik und Tageslichtsteuerung sowie Bio-zertifiziertes Krankenhaus-Essen gelegt. Während späterer Praktika habe ich auch andere Umstände kennengelernt, doch es ermutigt mich, dass solche Projekte umsetzbar sind und von den Patient/innen gut angekommen werden.

 

Dies sind nur einige Beispiele für die Möglichkeiten, in der Medizin einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Allerdings steht und fällt auch hier alles mit der Bereitschaft und Motivation der Krankenhausleitung, und - mit dem Geld. Umweltschutz ist leider oft nicht die kostengünstigste Alternative und letzten Endes hängt es von der Regierung ab, wieviel finanzielle Mittel den Krankenhäusern für die Nutzung nachhaltiger Alternativen zur Verfügung gestellt werden. Wir können unsere Stimme erheben. Liebevoll und demütig Vorschläge unterbreiten. Und bei all dem die Patient/innen nicht aus dem Auge verlieren. 

 

Das können wIR tun - was dürfen wir Hoffen?

Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich in Thailand, einem Land, in dem noch völlig anders mit Plastik umgegangen wird. Wenn man sich nicht mit Händen und Füßen dagegen wehrt, bekommt man für jeden Einkauf mindestens eine Plastiktüte in die Hand gedrückt und ein Pfandsystem für die lebensnotwendigen Wasserflaschen (trinkbares Leitungswasser gehört zu den gigantischen Vorteilen der westlichen Welt) gibt es natürlich auch nicht. ABER - und das ist der springende Punkt - Nachhaltigkeit (und selbst das Nachdenken darüber) ist ein Privileg der Reichen.

 

Wir haben die Möglichkeit, über umweltschonende Maßnahmen nachzudenken, weil genug Geld und Zeit übrig ist. Wenn man in einem Entwicklungsland lebt und arbeitet, dann reichen die Mittel in einem Krankenhaus oft nicht einmal für das Nötigste aus. Plastiksparen wird ein Luxus, der mit der aktuellen, akuten Not der Menschen einfach nicht kompatibel ist. Thailand ist dafür im medizinischen Bereich vielleicht nicht das beste Beispiel, aber ich merke, wie seltsam es sich anfühlt, darüber zu schreiben, wie ich als Medizinerin zum Klimawandel stehe, während ich in den Schicksalen der Menschen um mich herum gerade eine völlig andere Lebensrealität mit vollkommen anderen Sorgen beobachte.

 

Gerade als Medizinerin wünsche ich mir, nicht nur kurzfristig, sondern langfristig für die Gesundheit der Menschen aktiv sein zu können. Dafür zu sorgen, dass auch die nachfolgenden Generationen nicht vollkommener Dürre, Wassermangel, Seuchen, Erkrankungen durch Mikroplastik und Chemikalien oder Naturkatastrophen ausgeliefert sind, scheint das Mittel der Wahl zu sein. Doch manchmal führt mich das in einen moralischen Konflikt: Was ist wichtiger? Die Gesundheit des Menschen vor mir, wenn gerade nun einmal nichts anderes als plastikverpacktes Material vorhanden ist? Oder die Zukunft dieses Planeten, der Menschheit, der gesamten Welt? Und bringt es überhaupt etwas, auf Nachhaltigkeit zu achten, wenn das, was wir in Deutschland in einem Monat sparen, in anderen Ländern an einem Tag verbraucht wird?

 

Ich möchte euch damit nicht entmutigen. Im Gegenteil: Vor all den Herausforderungen der heutigen Zeit zu stehen, kann überfordernd sein, aber wir haben einen Gott an unserer Seite, der versprochen hat, einmal alles neu zu machen. Er ist größer als jeder Fehler, den die Menschheit machen kann. Das bedeutet nicht, dass wir von unserer Verantwortung entbunden sind und dass es uns egal sein kann, wie es der Welt geht, die er uns anvertraut hat. Doch es bedeutet, dass wir im Fragen um das Richtige nicht allein sind. Dieses Wissen bewahrt uns vor dem Fehler, Klimaschutz zur Religion und letztendlich zum Götzen zu machen - und gibt uns stattdessen die Möglichkeit, Gott in Freiheit und voller Freude mit verantwortungsbewusstem Verhalten zu ehren.

 

Ich hatte eine Lebensphase, in der mich die scheinbare Endgültigkeit und die hoffnungslose Lage unseres Planeten fast in die Verzweiflung getrieben hat. Doch in dieser Angst und Resignation ist mir klar geworden, dass Gott uns nicht einen Geist der Angst, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit geschenkt hat. Jesus spricht tatsächlich viel über das Ende der Welt und das Gericht, aber immer mit der folgenden Randnotiz: In der Welt habt ihr Angst, doch seid getrost - ich habe die Welt überwunden. Klimaschutz ist wichtig, die eigene Schöpfung liegt Gott am Herzen und wir dürfen mit heiligem Zorn trauern und Missstände anprangern. Aber unter keinen Umständen sollen wir die Hoffnung verlieren und wie Petrus nur auf die Welle - anstatt auf Jesus schauen. In all dem moralischen Chaos zwischen Links und Rechts, Gutmenschentum und Ignoranz bleibt die eine, entscheidende Frage:

 

Was würde Jesus tun?

Jesus selbst war immer auf die Menschen fokussiert, das Herz des Gegenübers, das Leid und die Sorgen seines Nächsten. Ich glaube, dass er wunderbar mit der Natur umgegangen ist, rücksichtsvoll und ehrfürchtig. Aber seine Mission, seine wahre Aufgabe war eine andere. Es waren wir.

 

Wir werden in der Bibel ermutigt, den Lauf zu Ende zu laufen, alles zu geben, um das Ziel zu erreichen. Alles, was ich mir wünsche, ist, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren in dem Versuch, eine Welt zu retten, die - mit Jesus Worten - vergehen wird. Das ist kein „Nein“ zum Umweltschutz. Aber bei all dem, was heutzutage zu tun ist, kann man schnell den Überblick verlieren. Für mich war es ein hartes Brot, aber ich musste in meiner Überforderung lernen, dass ich die Welt nicht retten kann. Das kann nur Jesus! Und was für eine Entlastung ist es da, jeden Tag mit dem Heiligen Geist unterwegs zu sein und ihn fragen zu können, was dran ist. Das kann politischer Aktivismus im großen Stil sein. Oder ein medizinischer Eingriff, der ohne Plastik (noch) nicht möglich ist. Vielleicht sind es auch nur die kleinen Entscheidungen, wie Plastiksparen im Supermarkt, in denen er uns etwas aufs Herz legt und dazu ermutigt, im Kleinen treu zu sein. Für mich als Medizinerin steht jedoch fest, dass ich ohne Gottes Weisheit und Kraft verloren bin und ihn immer wieder neu nach meiner Aufgabe fragen muss.

 

Ich möchte die Umwelt schützen, wo ich kann. Doch ich will dabei den Menschen nicht aus dem Blick verlieren und am Ende die „Kirche auf dem Weg zur Kirche verpassen“. Ich will an Gottes Reich mit bauen, mich aus der Komfortzone locken lassen, aus Fast Fashion und Konsumsucht aussteigen, für Gerechtigkeit einstehen und dem Frieden nachjagen. Und all das nicht OBWOHL, sondern WEIL ich weiß, dass dies keine bleibende Stadt ist - und wir die zukünftige suchen.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0